Professor Dr. Dr. h.c. Hans Köchler Institut für Philosophie der Universität
Innsbruck
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(I) Vorlesung: Paradigmen der Weltordnung (II) Seminar: Säkularisierung oder Wiederkehr der Religion? Philosophische Perspektiven zur Krise der politischen Moderne (III) Privatissimum / Research Seminar: Philosophy of Terrorism |
PARADIGMEN DER WELTORDNUNG Beschreibung: Das Ende der bipolaren Weltordnung des Kalten Krieges hat eine weitgehende Verunsicherung im Hinblick auf die Grundlagen der internationalen Beziehungen mit sich gebracht. Das plötzliche Verschwinden des ein halbes Jahrhundert währenden Machtgleichgewichtes, das sich mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges herauskristallisiert hatte, hat Fragen nach einem weltpolitischen Paradigmenwechsel aufkommen lassen. Inzwischen ist die Euphorie über eine "Neue Weltordnung" - die den Diskurs der neunziger Jahre bestimmte - wieder verflogen. Was (voreilig) als wiedererlangte Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen im Bereich der kollektiven Sicherheit interpretiert worden war, stellte sich im Zuge der Irak-Krise (2002ff) als flüchtiges Phänomen des Überganges von einer bipolaren zu einer unipolaren Ordnung dar: In einem System mit einer einzigen Supermacht werden die für das kollektive Handeln im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen formulierten Spielregeln obsolet. Die Mitglieder der "internationalen Gemeinschaft" sind des Handlungsspielraumes verlustig gegangen, über den sie zur Zeit der Rivalität zwischen zwei Supermächten noch verfügten. Die Vorlesung soll die staatsphilosophischen Grundlagen der internationalen Beziehungen erörtern und die Paradigmen der Weltordnung im historischen wie systematischen Kontext analysieren. Eine besondere Bedeutung wird dabei der Neubewertung kollektiven zwischenstaatlichen Handelns (insbesondere im Rahmen der Organisation der Vereinten Nationen) zukommen, vor allem was den Stellenwert der nationalen Souveränität betrifft. Die Paradigmen, nach denen die internationalen Beziehungen interpretiert werden, sollen (a) im Hinblick auf die "machtpolitische" Struktur (unipolar, bipolar, multipolar) und (b) unter Berücksichtigung des Antagonismus zwischen deskriptivem und normativem Erklärungsansatz (Realismus versus Idealismus) untersucht werden. Des weiteren soll - im Zusammenhang mit den Debatten über ein neues "Völkerstrafrecht" - der Frage nach dem dialektischen Verhältnis von Recht und Macht nachgegangen werden. Abschließend wird - am Beispiel der Vereinten Nationen und im Hinblick auf die Entstehung neuer supranationaler Organisationsformen (Europäische Union) - die Zukunft internationaler Organisation in einer Ära machtpolitischen Ungleichgewichtes erörtert werden. Literatur (Auswahl):
Modus: Beginn: 11. März 2008. Lehrveranstaltung für Hörer aller Fakultäten. |
SÄKULARISIERUNG ODER WIEDERKEHR DER RELIGION? Philosophische Perspektiven zur Krise der politischen Moderne Gemeinsam mit Dr. Andreas Oberprantacher und Mag. Marie-Luisa Frick
Beschreibung: Ein linearer und zumeist unhinterfragter Fortschrittsoptimismus war bis vor kurzem ein wesentliches Kennzeichen des Selbstdeutungsmusters westlicher Gesellschaften. In philosophischen Gesellschaftstheorien, in sozialwissenschaftlichen Modernisierungsdiskursen ebenso wie in demokratiepolitischen Debatten wurde allgemein von der Annahme ausgegangen, dass der Rationalisierungs- und soziale Ausdifferenzierungsprozess, der durch Reformation, Aufklärung und wissenschaftlich-technologischen Fortschritt eingeleitet worden ist, religiöses Leben zunehmend zum Verschwinden bringen würde – nicht nur in westlichen Ländern, sondern weltweit. Dem Begriff der Säkularisierung kam in diesem Kontext eine zweifache Bedeutung zu: er wurde als deskriptiv-heuristische Kategorie zur Deutung sozialer Transformationsprozesse, aber auch als politisch-normativer Leitbegriff zur ideologischen Absicherung der Vormachtstellung der westlichen Industrienationen verwendet. Vor dem Hintergrund einer stärkeren Besinnung auf eine religiöse Lebensführung in islamischen Ländern, evangelikaler Missionisierungsbestrebungen in Lateinamerika, Afrika und Asien, von Kontroversen um Symbole islamischer Religiosität (Moscheen, Kopftuch, etc.) in Ländern mit christlichen Mehrheitskulturen sowie im Hinblick auf politische Konflikte, in denen religiöse Argumentationsmuster eine Rolle spielen, hat sich die Prognose einer umfassenden Säkularisierung inzwischen als problematisch erwiesen. Entgegen Webers Auffassung, dass mit der politischen Moderne eine „Entzauberung der Welt“ einhergehe, hat es den Anschein, als befänden sich nicht die religiösen Gemeinschaften, sondern das westliche Gesellschaftsmodell als solches in einer umfassenden Legitimationskrise. Die Trennung von religiöser Gemeinschaft und Staat – wie sie Europa für sich beansprucht – wird weltweit immer häufiger in Frage gestellt. Im Rahmen des Seminars soll insbesondere eine kritische Auseinandersetzung mit den theoretischen Voraussetzungen und politisch-rechtlichen Implikationen der Säkularisierungsthese unternommen werden. Es wird zu untersuchen sein, inwiefern in der „klassischen“ Formulierung der These kontingente, an die europäische Tradition gebundene Wertüberzeugungen und soziale Ordnungsvorstellungen enthalten sind, denen keine universelle Relevanz zugestanden werden kann. Zieht man die von Samuel Huntington entworfene geopolitische Landkarte heran, so wird erkennbar, dass der säkularisierte Staat ex ante als westliche Kulturleistung definiert wird und als Basis eines antagonistischen Politikverständnisses dient, das sich gegen andere, namentlich islamische, Staaten richtet. Weiters soll aus philosophischer Perspektive die Frage gestellt werden, welche politischen Interessen mit der These einer Wiederkehr der Religion, die in zeitgenössischen geistes- und sozialwissenschaftlichen Diskursen vertreten wird, zusammenhängen könnten. Angesichts der nach wie vor hohen Anzahl von Kirchenaustritten in manchen europäischen Staaten liegt die Vermutung nahe, dass die These von der Wiederkehr des Religiösen auch dazu dienen soll, das Profil der Kirchen zu schärfen sowie deren Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung zu stärken – nicht zuletzt deshalb, weil sie sich im Wettbewerb mit dem Islam im Nachteil wähnen. Schließlich soll im Seminar untersucht werden, ob bzw. inwiefern der moderne Verfassungsstaat dem Bedürfnis nach religiösem Glauben gerecht werden kann, ohne die politischen Prinzipien, auf denen er sich gründet, aufzugeben. Fragen und Themenstellungen (Auswahl):
Literaturhinweise: N.B. The listing of a book in this syllabus does not constitute an endorsement by the moderator of the seminar. Modus: Referat mit schriftlicher Arbeit, welche spätestens zum Ende der Lehrveranstaltung in digitaler Form (mit einem Ausdruck) abzugeben ist. Für das Referat muß ein Abstract vorbereitet werden. Von den Teilnehmern können zusätzliche hier nicht angeführte Themen eingebracht werden. Die endgültige Themenliste wird in der Vorbesprechung erarbeitet. Eine Teilnahme ist nur im Zusammenhang mit einem Referat möglich. Für die Benotung wird neben der schriftlichen Arbeit das Referat und die Diskussionsteilnahme herangezogen. Da ein Großteil der relevanten Literatur in englischer Sprache verfaßt ist, sind gute Englischkenntnisse Voraussetzung für eine Teilnahme. Koordination: Andreas Oberprantacher Anmeldung bei Dr. Andreas Oberprantacher. Vorbesprechung: 11. März 2008. Lehrveranstaltung für Hörer aller Fakultäten. Persönliche Anmeldung erforderlich. |
Privatissimum / Research Seminar, Tuesday, 17-19 hrs, ./. PHILOSOPHY OF TERRORISM
In co-operation with Dr. Andreas Oberprantacher and Christoph Wurnitsch
Working languages: German and English Description: In contemporary political and ideological discourse the term "terrorism" is overwhelmingly used in a polemical sense. In spite of numerous United Nations initiatives, there exists no legally agreed definition. Even if some members of the "international community" now favour a re-labeling, the so-called "global war on terror(ism)" has become an ideological tool of international power politics and represents the 21st century version of the doctrine of total war, including the doctrine of "preventive self-defense." More than the positive sciences, philosophy is in a position to question the basic normative assumptions underlying the global discourse on "terrorism" and to analyze the standardized opinions that have been evolving since September 11, 2001 in particular. Instead of seeking social conformity or setting the doctrinal limits for the respective period's "political correctness," the philosopher is oriented towards the search for the truth - and at two distinct levels: that of the facts as well as that of normative consistency. For the purpose of this seminar's debate, "philosophy of terrorism" is understood (a) as analysis and structural comparison of the various ideological justifications of terrorist acts (whether committed by individuals, groups or states) and (b) as questioning of the normative assumptions underlying terrorist acts as well as the counter-terrorist policies practiced mainly by state actors. In sharp distinction from political practice, the philosophical ethos makes it imperative to avoid the application of double standards in dealing with the phenomenon of terrorism. Furthermore, any analysis of terrorist acts, and particularly a philosophical one, has to be based on a correct factual record, not on a political program that forces historical truth into a framework of "strategic interests." A normative analysis of specific acts of terrorism becomes simply irrelevant if it deals with erroneous assumptions. Of special
interest for a comprehensive philosophical evaluation of today's global
political discourse will be questions related to: (1) the ethical
commitment to the search for the truth on terrorist incidents and that
commitment's political implications; (2) the dissection of active and
reactive violence in the "global war on terror;" (3) the impact of the
"global war on terror" on human rights and civil liberties; (4) the main
elements of a legal definition of "terrorism" that avoids the normative
inconsistency which often characterizes the use of this term in the
context of realpolitik; (5) the ethical contradictions in the
justification of terrorist violence (often related to the argument of "the
end justifies the means"); (6) the differences and similarities between
classical warfare and terrorism (is a clear conceptual distinction between
war crimes, crimes against humanity, etc. and terrorist crimes possible?);
(7) the political, social, economic and military mobilization resulting
from the notion of perpetual war and its implications for the global
order, in particular the "international rule of law"; (8) the
perceived civilizational dimension of the "global war on terror" (terrorism
and civilizational stereotypes); (9) the fear of terrorism and the
vilification of the other (terrorism and the "metaphysical enemy" in the
post-September 11 environment).
Selected literature: N.B. The listing of a book or a site in this syllabus does not constitute an endorsement by the moderator of the seminar. Web sites and document sources: Modus: Each participant will make an oral presentation on a topic to be chosen in co-ordination with the moderator. A research paper will have to be prepared until the end of June 2008. The detailed working program of the seminar will be established in the course of the preparatory meeting. Co-ordination: Andreas Oberprantacher
Preparatory session: 11 March 2008 (Prof. Köchler's office). Interdisciplinary research seminar. Personal registration required. |