Professor Dr. Dr. h.c. Hans Köchler Institut für Philosophie der Universität
Innsbruck
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(I) Vorlesung: Phänomenologie (II) Seminar: Politische Anthropologie (III) Privatissimum: Terror und der Mythos der westlichen Zivilisation |
POLITISCHE ANTHROPOLOGIE Gem. m. Dr. Marie-Luisa Frick © Hans Köchler, 2009 Konzept: "Panem et circenses" scheint der tatsächliche, wenngleich uneingestandene, Leitspruch derjenigen zu sein, welche die politische Ordnung in der modernen Industriegesellschaft repräsentieren und organisieren. Im Unterschied zur offiziellen Doktrin - zum Ideal - der Demokratie orientiert sich die reale Politik nicht am Verständnis des Menschen als autonomen Subjektes im kantischen Sinne, sondern richtet sich auf ihn als Objekt der Unterhaltung und interessengesteuerten Information, mit deren Hilfe das jeweils gewünschte Verhalten erzielt werden soll. Diese Strategie der Machtausübung folgt unmittelbar aus der Praxis der repräsentativen Demokratie, die sich im Sinne von Schumpeters Definition nicht an einem abstrakten Ideal des (freien) Bürgertums ausrichtet, sondern im "Konkurrenzkampf um die Stimme des Volkes" zwecks Erlangung der Entscheidungsbefugnis besteht. Der Philosoph hat die Frage nach dem dieser Praxis zugrundeliegenden Menschenverständnis - nach der impliziten Anthropologie des jeweiligen Demokratiemodelles - zu stellen. Besondere Bedeutung kommt dabei einer Analyse der Rolle der Medien in der angeblichen "Informationsgesellschaft" zu - vor allem in den sich als "demokratisch" definierenden und legitimierenden Systemen. Es wird zu untersuchen sein, inwiefern die durch die Massenmedien ("main stream media" /MSM) betriebene Meinungsbildung, die oftmals glatter Desinformation gleichkommt, mit dem offiziell propagierten Ideal des mündigen Bürgers vereinbar ist, der seine "Wahlentscheidung" souverän und unbeeinflusst treffen sollte - unter Inanspruchnahme der ihm garantierten Informationsfreiheit, und nicht gemäß einheitlichen Denkvorgaben seitens demokratisch nicht legitimierter Instanzen. Des weiteren kann ein struktureller Vergleich zwischen den Menschenbildern unterschiedlicher politischer Organisationsformen zu einem besseren Verständnis der zumeist nicht offen deklarierten Mechanismen der Machtausübung im jeweiligen System führen und konkret auch zu einer präziseren Verwendung des Begriffes "Demokratie" beitragen. Man wird um die Frage nicht umhin kommen, was eigentlich den Unterschied zwischen demokratischer und autoritärer Herrschaft ausmacht, wenn das imperialer und repräsentativer (parlamentarischer) Machtausübung zugrundeliegende Menschenbild strukturell identisch sein sollte. Analog zu der Frage nach dem der politischen Praxis zugrundeliegenden Menschenverständnis wird - sozusagen spiegelbildlich - zu untersuchen sein, welche Art von Person (welcher Persönlichkeitstypus) im jeweiligen System als Politiker reüssiert. Auch hier geht es um Ideologiekritik im ursprünglichen Sinne, d.h. um die Hinterfragung des vom Politiker artikulierten Selbst- und Rollenverständnisses. Die Philosophie hat zudem die Frage zu stellen, inwiefern das Verständnis des Menschen als ζῷον πολιτικόν tatsächlich die Unterscheidung zwischen dem der Herrschaft unterworfenen Bürger und dem mit Entscheidungsbefugnis ausgestatteten Politiker (als Funktionsträger des Gemeinwesens) erfordert - oder ob es eine Alternative zu dieser Dichotomie und der in ihr sich manifestierenden "politischen Anthropologie" gibt. Fragen und Themenstellungen (Auswahl):
Literaturhinweise:
N.B.: Eine Anführung in den Literaturhinweisen bedeutet nicht notwendigerweise, daß sich der LV-Leiter mit den Inhalten des jeweiligen Werkes identifiziert. Modus: Referat mit schriftlicher Arbeit, welche spätestens zum Ende der Lehrveranstaltungsperiode in digitaler Form (mit einem Ausdruck) abzugeben ist. Für das Referat muß ein Abstract vorbereitet werden. Von den Teilnehmern können zusätzliche, hier nicht angeführte Publikationen herangezogen und weitere Themen eingebracht werden. Die endgültige Themenliste wird in der Vorbesprechung erarbeitet. Eine Teilnahme ist nur im Zusammenhang mit einem Referat möglich. Für die Benotung werden neben der schriftlichen Arbeit auch das Referat und die Diskussionsteilnahme berücksichtigt. Vorbesprechung: 6. Oktober 2009.
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Privatissimum, Dienstag, 17-19 Uhr,
Seminarraum 15, Institut für Philosophie, Innrain
52B, 8. Stock TERROR UND DER MYTHOS DER WESTLICHEN ZIVILISATION © Hans Köchler, 2009 Doğruyu söyleyen dokuz köyden kovulur. (Wer die Wahrheit sagt, wird aus neun Dörfern vertrieben.) Thematik: Seit dem Ende des Kalten Krieges und dem Verschwinden des Feindbildes des Kommunismus hat sich in der westlichen Welt ein neuer antagonistischer Diskurs etabliert, der die angebliche Bedrohung der westlichen Zivilisation durch ihr feindlich gesonnene Weltanschauungen und Wertsysteme zum Inhalt hat, wobei dem Islam die zentrale Rolle in der Verkörperung des schlechthin "Anderen" zukommt, gegen das es sich zu wappnen gelte. Das neue Paradigma vom "Konflikt der Zivilisationen", das von Samuel Huntington, einem ehemaligen Mitarbeiter des National Security Council der Vereinigten Staaten, weltweit popularisiert worden war, wurde insbesondere auf die Interpretation der Ereignisse des 11. September 2001 in New York City, Washington DC und Pennsylvania angewendet, ohne dass deren Ursachen bis jetzt wissenschaftlich und kriminaltechnisch umfassend und unabhängig erforscht worden wären. Die tragischen Geschehnisse und deren - in kriminologischer wie ideologischer Hinsicht voreilige - Interpretation wurden in der Folge Grundlage eines Narratives ("Mythos"), mit dem ein sog. "globaler Krieg gegen den Terror" gerechtfertigt werden soll, der die in bzw. gegen Afghanistan, Irak, Pakistan usw. geführten Kriege einschließt und faktisch einen weltweiten Herrschaftsanspruch im Namen "der (westlichen) Zivilisation" impliziert. Der Philosoph als public intellectual kann sich der Verantwortung nicht entziehen, das zur Legitimation dieser Aktionen herangezogene Feindbild (a) auf die historischen Tatsachen und (b) auf die konkrete Interessenlage zu hinterfragen. Insbesondere geht es dabei um eine globale Standortbestimmung der "westlichen Zivilisation", die Herausbildung ihrer Identität in der Wechselwirkung mit anderen Zivilisationen ("Zivilisationshermeneutik"), und die Analyse der tatsächlichen "Bedrohungslage". In der Philosophie gelten nicht die Maximen der sich schnell wandelnden political correctness, sondern einzig die Kriterien der Vernunft und die Verpflichtung zur Suche nach der Wahrheit. Besonderes Augenmerk soll auf den Umstand gelegt werden, dass im Spannungsfeld von (angeblicher) terroristischer Bedrohung und zivilisatorischer Selbstbehauptung ein herrschaftsfreier Diskurs faktisch unmöglich geworden ist, was sich auch in der Uniformität der Berichterstattung in den Massenmedien ausdrückt, die eine kritische Hinterfragung der Rechtfertigungsgründe für den Krieg gegen den Terror mithilfe des Reizwortes "Verschwörungstheorie" fast zur Gänze abblocken. Der dadurch erzeugte Anpassungsdruck bedeutet, dass die große Mehrzahl der in der Öffentlichkeit agierenden Persönlichkeiten aus rein opportunistischen Gründen dem "Mythos der westlichen Zivilisation" Vorschub leistet, ohne sich jemals mit der Faktenlage (was tatsächliche oder vermeintliche terroristische Ereignisse betrifft) oder mit den Grundzügen der "anderen" Zivilisation, von der die Bedrohung der eigenen zivilisatorischen Existenz ausgehen soll, auseinandergesetzt zu haben. Die Problematik soll anhand von Einzelbeispielen analysiert werden.
Literaturhinweise:
Online-Ressourcen:
N.B.: Eine Anführung in den Literaturhinweisen bedeutet nicht notwendigerweise, daß sich der LV-Leiter mit den Inhalten des jeweiligen Werkes identifiziert. Dies gilt auch für die Inhalte der unter "Online-Ressourcen" angeführten Webseiten. Modus: Referat mit schriftlicher Arbeit, welche spätestens zum Ende der Lehrveranstaltungsperiode in digitaler Form (mit einem Ausdruck) abzugeben ist. Für das Referat muß ein Abstract vorbereitet werden. Die Themenliste wird in der Vorbesprechung erarbeitet. Von den Teilnehmern werden gute Englischkenntnisse erwartet. Eine Teilnahme ist nur im Zusammenhang mit einem Referat möglich. Für die Benotung werden neben der schriftlichen Arbeit auch das Referat und die Diskussionsteilnahme berücksichtigt. Persönliche Anmeldung erforderlich! Vorbesprechung: 6. Oktober 2009, Dienstzimmer von Prof. Köchler.
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