Seminar, Dienstag, 17-19 Uhr, Seminarraum 15, Institut für Philosophie, Innrain
52B, 8. Stock
DER FREIHEITSBEGRIFF IM POLITISCHEN
KONTEXT
Beschreibung:
© Hans Köchler, 2008.
Der Begriff der Freiheit wird
im politischen Kontext zumeist in einem philosophisch unpräzisen
- oftmals auch
polemischen -
Sinn gebraucht. Häufig geht es dabei um die (ideologische)
Legitimation des eigenen politischen Handelns bzw. um die Diskreditierung
des politischen Gegners. Insbesondere seit dem Ende des Kalten Krieges hat
die Propagierung einer nicht näher definierten "Freiheit" einen besonderen
Stellenwert in weltpolitischen Proklamationen -
insbesondere der Vereinigten Staaten von Amerika
- erhalten. Im 21.
Jahrhundert werden sogar bewaffnete Interventionen
- insbesondere
diejenigen,
deren Status als "humanitäre Interventionen"
zweifelhaft ist -
im Namen der "Freiheit" geführt, was in
gewissem Sinne einer Renaissance der bereits überwunden geglaubten Doktrin
des bellum iustum gleichkommt. Angesichts des extremen
Machtungleichgewichtes auf globaler Ebene wird der Entscheidungsspielraum
des Nationalstaates zunehmend eingeengt und damit politische Freiheit (im
kollektiven Sinn) zu einem relativen Begriff, der oftmals
für machtpolitische Zwecke instrumentalisiert wird. Aber auch die
politische Freiheit im individuellen Sinn wird im Rahmen großer
zwischenstaatlicher (ggfs. supranationaler) Organisationen wie der
Europäischen Union zunehmend prekär.
Nach dem modernen westlichen
Staatsverständnis ist die Legitimität der politischen Ordnung vorrangig
eine Funktion der bürgerlichen Freiheit. Nur ein Gemeinwesen, das die
freie Entfaltung des Bürgers ermöglicht, wird als gerecht angesehen und
verdient (nach dem gängigen Diskurs) Anerkennung durch die
"internationale Gemeinschaft". Dabei wird vielfach übersehen, daß in der
modernen arbeitsteiligen Industrie- und Konsumgesellschaft der Bürger
mannigfachen Zwängen unterliegt, die nicht nur seine konkreten
Handlungsmöglichkeiten beschränken, sondern auch vorweg sein
Wollen determinieren. Die immer stärkere Rolle der "kommerziellen"
Werbung nicht nur bei der Beeinflussung des Konsumverhaltens, sondern auch
bei der Steuerung des politischen Wollens bedarf dabei einer besonderen
Erörterung. Die Oberflächlichkeit des Freiheitsverständnisses in der
modernen Industriegesellschaft, in welcher Abhängigkeiten oftmals nicht
hinterfragt und Meinungen zu einem erheblichen Teil durch die
kommerziellen Medien erzeugt werden, ist einer philosophischen Kritik zu
unterziehen. Es wird der Frage nachzugehen sein, ob die für alle
repräsentativen Systeme zentrale Methode, die der amerikanische
Kommunikationstheoretiker Walter Lippmann als "manufacture of consent"
bezeichnet hat, überhaupt mit dem autonomen Status des Bürgers in einem
demokratischen Gemeinwesen vereinbar ist.
Im Seminar soll das im
gegenwärtigen politischen Diskurs vorherrschende Freiheitsverständnis
zunächst im Hinblick auf allgemeine philosophische Problemstellungen (aus
Erkenntnistheorie, Ontologie und Ethik) analysiert werden. Anschließend
sollen die hier skizzierten
Grundsatzfragen im Bereich der Innen- wie der Außenpolitik anhand
konkreter Beispiele erörtert werden, wobei besonderes Augenmerk auf den
gegenwärtigen europäischen Diskurs über die Freiheit des Bürgers in einem
transnationalen und zunehmend multikulturellen Raum, welcher zudem der
Dynamik der Globalisierung unterliegt, gerichtet wird.
Fragen und Themenstellungen (Auswahl):
-
Philosophische Freiheitsdefinitionen und ihre Bedeutung für die Politik
-
Die Bestimmung der Freiheit in der praktischen Philosophie Immanuel
Kants (Begriff der Autonomie)
-
Die politische Freiheit als zentrales Element des (westlichen?)
Menschenrechtsverständnisses
-
Freiheit und politische
Verantwortung
-
Das Verhältnis von Freiheit
und Demokratie (Sind Freiheit und Denmokratie deckungsgleich?)
-
Das Freiheitsverständnis des Wirtschaftsliberalismus
-
Die Freiheit des Bürgers in der Demokratie: Vergleich des
repräsentativen und des plebiszitären Paradigmas
-
Die Doktrin
und Praxis des "freien Mandates" in der repräsentativen Demokratie
(Gewissensfreiheit versus "Klubzwang")
-
Das Spannungsverhältnis im
repräsentativen Staatssystem: Freiheit des Bürgers versus Freiheit des
Abgeordneten?
-
Das Wechselverhältnis von
wirtschaftlicher, sozialer und politischer Freiheit
-
Meinungs- und
Pressefreiheit: welches ist das zugrunde liegende Freiheitsverständnis?
-
Der Begriff der "political
correctness" und die Meinungsfreiheit
-
Die Aushöhlung der
politischen Freiheit in der Konsumgesellschaft: Politische Information
als Unterhaltung ("panem et circenses")
-
Freiheit des Bürgers versus
Manipulation durch "kommerzielle" Werbung (in Wirtschaft und Politik)
-
Politische Freiheit und
"manufacture of consent" (Walter Lippmann)
-
Freiheit und (politische)
Erziehung
-
Freiheit und
multikulturelle Gesellschaft: Ist der Begriff der "Leitkultur" mit
kultureller Freiheit vereinbar?
-
Globalisierung und
staatliche ("kollektive") Freiheit
-
Globalisierung und
individuelle Freiheit (wirtschaftlich / kulturell / politisch)
-
Das (antagonistische?)
Verhältnis von Macht und Freiheit in der Innen- und Außenpolitik
-
Die Frage der Vereinbarkeit
der Machtpolitik mit dem politischen Freiheitsgrundsatz
-
Nationale Selbstbestimmung
und politische Freiheit: Die Widersprüche in der gängigen
völkerrechtlichen Interpretation des Rechtes auf Selbstbestimmung
-
Politische Freiheit im
Rahmen zwischenstaatlicher bzw. supranationaler Organisationen
(Beispiel: Europäische Union)
-
Das Freiheitsverständnis im
Diskurs der "Neuen Weltordnung"
-
Die Instrumentalisierung
der Freiheit bei bewaffneten Interventionen (Fallstudie: "Operation
Iraqi Freedom")
-
Ist die Idee der
politischen Freiheit mit dem Anspruch auf zivilisatorische "Umerziehung"
vereinbar? (Freiheit und Kolonialismus im 19. und 20. Jahrhundert /
Freiheit und der "Export" des westlichen Gesellschaftsmodells im 21.
Jahrhundert)
Literaturhinweise:
N.B. Die Anführung
von Literatur und Internet-Links bedeutet nicht notwendig, daß sich der
Lehrveranstaltungsleiter mit den dort vertretenen Auffassungen
identifiziert.
Online Ressourcen:
Modus:
Referat mit
schriftlicher Arbeit, welche spätestens zum Ende der Lehrveranstaltung in
digitaler Form (mit einem Ausdruck) abzugeben ist.
Für das Referat muß ein Abstract vorbereitet werden. Von den
Teilnehmern können zusätzlich hier nicht angeführte Publikationen
herangezogen und weitere Themen eingebracht
werden. Die endgültige Themenliste wird in der Vorbesprechung erarbeitet.
Eine Teilnahme ist nur im Zusammenhang mit einem Referat möglich. Für die
Benotung werden neben der schriftlichen Arbeit das Referat und die
Diskussionsteilnahme herangezogen.
Vorbesprechung: 7. Oktober 2008.
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